Leserpost

Werter Leserschaft, pünktlich zum diesjährigen Osterfeste, erreichte mich in meiner Redaktion am Stammtisch der Alsbachprinzessin nachstehender Leserbrief, der uns in seiner Dramatik zu Denken geben sollte. Feiern wir zu viele Feste, oder zu wenige? Und: warum nicht alles gleich ein wenig entflechten?

“Sehr geehrter Herr Magister,

Ich mag Ostern, aber noch viel lieber Weihnachten. Oder beides. Meinen Namen möchte ich nicht preisgeben, da er erstens nicht gerade von phonetischer Meisterhand entworfen wurde, und ich zweitens Angriffe irgendwelcher reaktionärer „Weihnachten-ist-doch-eh-nur-noch-Kommerz“ Aktivisten auf meine mir heilige Besinnlichkeit fürchte. Drittens tut er nichts zur Sache.

Die Zeit der unseligen Christkindlwarterei kann auch gefährlich sein. Vor allem dann, wenn man sich fest vorgestellt hat, das liebe Christkindl würde die Bescherung durchziehen. Es gibt zwei Kategorien von Menschen: die Christkindfanatiker und die Weihnachtsmanngroupies.

Letztes Jahr hat es unseren lieben Freund Dr. Winkel erwischt; ein glühender Anhänger der Christkindlfraktion- man hatte ihm quasi den Weihnachtsbaum unter dem Hintern angezündet. Als er Mitte Juli von der Intensivstation entlassen wurde, und er das Sprechen wieder erlernt hatte, erzählte er von einem dicken, seltsam gekleideten, ihm völlig unbekannten Mann, der am Heiligen Abend sternhagelbesoffen den Schornstein heruntergerasselt war. Der von ihm strömende alkoholische Geruch habe gereicht, um die schönen obersteirischen Weihnachtsbaumkerzen aus südburgenländischem Wanderhornissenwachs in einen durch das Wohnzimmer wütenden Kugelblitz zu verwandeln. (Ich zitiere Dr. Winkler beinahe wörtlich: „Ein Geruch von Aquavit, der mich unvermittelt erbrechen ließ- ein Blitz, dann war es Nacht.“). Eine Tragödie!

Nun, ich schweife ab. Zum Thema:

Der Adventzauber verzaubert auch mich. Wenn der erste Schnee linde vom Himmelszelt rieselt wie die Schuppen von meiner Kopfhaut, asiatische Händler ihre Waren auf diversen Ostermärkten feilbieten, der Duft von Langos, Bratwürsten, gebrannten Mandeln, kandierten Schweinsköpfen und Zuckerwatte in vollgestopften, von kaufwütigen Menschenmassen erfüllten Strassen hängt, dann weiß ich: es ist Weihnachtszeit. Spätestens. Oft bricht es ja schon ein wenig früher über uns herein. Manchmal einfach schwer zu bemerken, wann es so richtig losgeht.

Das letzte untrügliche Zeichen: Schokoladenweihnachtsmänner, die meist Mitte August in Supermärkten angeboten werden; gerade zur richtigen Zeit, habe ich immer gedacht. Gehen ja auch weg wie die warmen Semmeln- keine Frage!

Bereits Ende Juli halte ich dann Ausschau nach den ersten Punschständen. Punsch, Sie haben richtig gelesen!

Mein Urgroßvater, einst Hoflieferant für Haushaltswaren des Erbschleichprinzen von Posen und Unterpommern, vermachte der Familie- und das ist wirklich eine tolldreiste Sache- ein speziell für das weihnachtliche Punschtrinken entworfenes Häferl, dessen Füllmenge von beinahe drei Litern jedes Adventsmarktsäuferherz höher schlagen lässt.

Werden die Punschhütten nach Neujahr respektive nach Ostern abgebaut, wandert unser heiliger Gral sofort in einen sicheren Safe der Österreichischen Postsparkasse, um mit Anfang der Punscherei in einer heiligen Zeremonie eingeweiht zu werden. Das hat Familientradition.

Das geht so: Dies prächtige Gefäß aus tschechischem Elfenbein, usbekischer Halbseide und feinstem, andalusischen Rohschinken, dessen Ausführung so dermaßen kapriziös und gefinkelt ist, dass ich es hier in Worten gar nicht beschreiben kann- dieses grandios gutaussehende Trinkgefäß also ist an vorderster Front, mitten im Kampfgetümmel dabei, wenn „O’zapft wird“.

Ja, Sie haben wieder einmal richtig gelesen.

In meiner Heimatstadt hatte man der Bequemlichkeit halber das Oktoberfest, das man eigentlich nie gefeiert hat, mit dem Beginn der Punschsaison zusammengelegt. Die beiden Feste, die zu einem geworden waren, hatte man dann aus wirtschaftlichen Überlegungen heraus gegen Ende August angesiedelt.

Für mich ist das überaus günstig. Der Punsch wird aus großen 50l Fässern aus immerströmenden Hähnen ausgeschenkt, dazu gibt’s halbe Brathendl, Elefanten am Spieß und Sauerkraut. Zünftige Bauernmädchen mit mächtig…..egal.

Unser heiliger Gral leistet hervorragende Dienste. Denn wer etwas auf sich hält, ist natürlich nur mit eigenem Trinkgerät unterwegs; das macht Eindruck und spart Bechereinsatz. Ein eigenes, noch dazu seit Generationen vererbtes Trinkgerät in Punschzeiten, das ist etwas, das nicht jeder hat. Vergleichbar vielleicht höchstens mit einem amerikanischen Pazifisten, oder einem in Orangescheiben gewickelten Taktstock.

Am ersten Tage des großen, jährlichen Trinkgelages also spaziere ich mit meiner Familie auf die „Wiesn“, und während ich mich bis Oberkante Unterkiefer vollaufen lasse, fahren die Kleinen Karussell, oder versuchen ihr Geschick beim „Hau den Harry Potter“. Miriam, meine vierjährige Tochter, die jüngste im Bunde, speibt dann meist nach zwei Stunden, weil ihr schwindelig wird; ich übergebe mich bereits nach maximal einer Stunde, weil 10l Punsch kaum einer verträgt. Und warum meine Frau dann den Lokus aufsucht, dürfte Ihnen mittlerweile klargeworden sein. Trotzdem hat die alljährliche Übelkeit Tradition. Schon mein Urgroßvater frönte der Übelkeit, wie auch mein Großvater und mein Vater der Übelkeit frönte. Mit ihnen die bedauernswerten Frauen.

Das ist einfach immer eine sehr schöne Zeit, dieser Advent. Im August und September.

Es heißt freilich aufpassen, und die Zeit besinnlich und mit der gebotenen Ruhe zu verbringen. Aber ja nichts versäumen! Denn Anfang Oktober beginnt das Ostergeschäft, und wir blasen schon wieder Eier aus.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und der Entourage der Alsbachprinzessin ein frohes Fest. Welches auch immer!

Ein stiller Bewunderer.”

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